Relikte der Vergangenheit: Papier-Prozesse

Digitalisierungsbemühungen können für Fahrzeughersteller langsam und frustrierend sein, vor allem wenn es um die Homologation und behördliche Vorschriften und Regeln geht. Wenn Sie mit papierbasierten "traditionellen" Prozessen zufrieden sind, scheint es, als stünden viele Investitionen an, ohne dass ein offensichtlicher Nutzen zu erwarten wäre.  Aber ist das wirklich so? 

Der Wandel vollzieht sich langsam, und die Zeichen des Wandels können noch leicht übersehen werden. Aber wenn man genau hinsieht, ist es schwer zu leugnen, dass eine Ära für die Fahrzeugzulassung und -registrierung zu Ende geht. Diese Ära war die Ära der Papierprozesse, in der das Eigentum an einem Fahrzeug an den Besitz von Papierzertifikaten gebunden war, in der die Richtigkeit von Daten durch Unterschriften und kopiersicheres Papier bewiesen wurde und in der offizielle Dokumente Teil des Corporate Designs eines Fahrzeugherstellers waren.

Es war auch die Ära von Word und Excel. Doch die alten Papierprozesse weichen der Generation des digitalen Zeitalters.

Was sind die Anzeichen dafür?

Zum einen haben viele Länder innerhalb der EU bereits E-Government-Prozesse bei der Kfz-Zulassung eingeführt: Hier in Deutschland können Sie Ihr Fahrzeug online anmelden, allerdings wird Ihnen anschließend ein Fahrzeugschein in Papierform per Post zugeschickt. 
 
Zweitens wird zur Zeit die Konformitätsbescheinigung (CoC) aus Papier durch ihren elektronischen Nachfolger ersetzt. Viele Regierungen in der EU haben bereits mit der Einführung der elektronischen Übereinstimmungsbescheinigung begonnen.  
Um noch einmal auf das deutsche Beispiel zurückzukommen: Die Hersteller aller typgenehmigten Fahrzeuge sind seit 2019 gesetzlich verpflichtet, die elektronische Übereinstimmungsbescheinigung zu übermitteln, wodurch die Zulassungsdaten für die deutsche Regierung in einer zentralen Quelle verfügbar sind. Für die Marktüberwachung oder polizeiliche Kontrollen wäre somit ein physischer Blick in das offizielle CoC-Papier oder den amtlichen Fahrzeugschein gar nicht mehr erforderlich. 
Im Jahr 2026 werden elektronische CoCs in der gesamten EU für Hersteller von Pkw, Lkw und Anhängern verpflichtend werden. Andere Fahrzeugkategorien werden sicherlich folgen. Der derzeit noch obligatorische Papier-CoC wird im Gegenzug völlig fakultativ werden. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass Zulassungsdokumente in Papierform früher oder später ganz verschwinden werden. 
 
Drittens haben sich bereits interdisziplinäre Teams gebildet, die über das optimale Format für eine digitale Typgenehmigungsdokumentation nachdenken. Wann dieser Schritt folgen wird, ist unseres Wissens nach noch offen, aber der Weg wird bereits vorgezeichnet. Es wäre der letzte Schritt auf dem Weg in die neue Ära des E-Government in der Homologation.

Turbulenzen voraus

Wie jede Veränderung, so positiv und notwendig, wie sie auch seinmag, wird das Ende dieser Ära kleinere oder größere Turbulenzen mit sich bringen. Die Abkehr von Papierprozessen ist eine große Veränderung, nicht nur auf Regierungsebene, sondern auch für die Hersteller. Und während große Unternehmen über das Kapital und die Lobby verfügen, um diese Turbulenzen problemlos zu überstehen, laufen die kleineren und mittelgroßen Wettbewerber Gefahr, schwer erschüttert zu werden.

Die alten Papierdokumente bringen einige "Vorteile" mit sich, die manuelle und halbmanuelle Prozesse leicht ermöglichen:

Die Dokumente sind strikt auf menschliche Lesbarkeit ausgelegt. Das bedeutet zum einen, dass ein Mensch das Dokument leicht lesen, verstehen und pflegen kann, weshalb Word- und Excel-Lösungen bei vielen Herstellern immer noch gut etabliert sind.

Auf der anderen Seite ermöglicht die Lesbarkeit eine gewisse Flexibilität. Statt bestimmte Daten formell aufzulisten, können Sie genauso gut auf einige Anhänge oder Zeichnungen verweisen, in denen die Informationen implizit bereitgestellt werden, in dem Wissen, dass der nächste Leser sie verstehen wird. Da weder Daten noch ihre Darstellung formell streng verbindlich sind, schleichen sich überall in diesen halb-/manuellen Prozessen individuelle Abkürzungen und Abweichungen ein.

Bei den digitalen Nachfolgern sind solche Nachlässigkeiten nicht mehr möglich. Jede Information muss ausnahmslos an der richtigen Stelle und im richtigen Format angegeben werden. Für die Hersteller bedeutet das zweierlei: Sie müssen mehr als bisher in die formale Korrektheit der bereitgestellten Daten investieren, und zweitens müssen sie ihre bestehenden Prozesse auf die neue Welt umstellen.

Hier werden Excel und Word keine große Hilfe mehr sein. Folglich werden auch die zögerlichsten Hersteller in ihre IT investieren müssen, wobei einige von ihnen möglicherweise nicht über das nötige Budget verfügen.

Manch einem mag es daher so vorkommen, als seien die Änderungen eher zugunsten der großen Unternehmen als im Interesse eines breiten Wettbewerbs konzipiert.

Das Versprechen einer glänzenden Zukunft

Um es ganz deutlich zu sagen: Der Wandel ist die Investition wert. Wenn man einmal anfängt, sich gedanklich von den alten Denkweisen der Papierverwaltung zu lösen, lösen sich viele "Probleme", die Unternehmen jetzt noch belasten, in Wohlgefallen auf. 
Der Umgang mit Papierdokumenten legt einen großen Wert auf das Layout der Dokumente. Bedingungen wie die Unterbringung aller Informationen auf zwei A4-Seiten, die Vermeidung von lästigen Zeilen- und Seitenumbrüchen und ein Format, das dem Corporate Design des Unternehmens entspricht, waren vormals ebenso wichtig wie die formale Korrektheit der Daten auf den Dokumenten. Dies war letztlich ein großer Treiber für manuelle Prozesse auf der Basis von Word-Vorlagen, denn Word erlaubt die individuelle Handhabung von Formatanpassungen. IT-Lösungen hingegen tun sich hier immer schwer und müssen Kompromisse eingehen, um das Ziel einer stärkeren Automatisierung zu erreichen. Bei digitalen Formaten ist das alles irrelevant, so dass die umfassende Automatisierung tatsächlich viel einfacher wird. 
 
Das Layout der Dokumente war nicht nur für das Auge wichtig, es wurde gewissermaßen zum formalen Nachweis der Gültigkeit der Dokumente. Jedem Antrag auf Typgenehmigung musste ein COC-Beispiel beigefügt werden. Ein COC in einem anderen Layout verlor folglich seine Gültigkeit. Das bedeutete, dass bei einer Änderung des Corporate Designs die Typgenehmigung erneuert werden musste. Oder, was uns häufig begegnet, bei der Einführung einer Standardlösung wie VCX muss in eine zusätzliche Anpassung des COC-Layouts investiert werden, weil das standardmäßig vorgesehene "Standard-Layout" nicht als gültiger COC akzeptiert würde. Um es erneut zu verdeutlichen: Das Format eines Dokuments sollte in keinem Zusammenhang mit der Gültigkeit seines Inhalts stehen. Die Abkehr von Papierdokumenten wird dazu führen, dass sich die ganze Diskussion in Luft auflöst.

Die Notwendigkeit, ein "Original" und "offizielles" Papierdokument zu erstellen, bringt auch die Notwendigkeit mit sich, Instrumente und Verfahren zum Schutz vor Fälschungen bereitzustellen. Es ist strengstens vorgeschrieben, dass nur ein einziges Originaldokument erstellt wird, das so gestaltet sein muss, dass es nicht ohne Weiteres kopiert werden kann. Die Hersteller investieren in Spezialpapier oder sogar in spezielle Drucker, um diese Bedingung zu erfüllen. Darüber hinaus müssen Hersteller Verfahren einrichten, um gültige Duplikate zu liefern, falls das Original verloren geht. Da der jeweilige Hersteller der alleinige Eigentümer von Daten und Format ist, kann nur er allein dafür zur Verantwortung gezogen werden. Die Hersteller sind auch formell verpflichtet, ein Duplikat jeder COC bis zu 10 Jahre nach der Bereitstellung des Originals bereitzustellen, und informell sogar weit darüber hinaus. Wenn in Zukunft die Daten der Fahrzeuge zentral bei den Zulassungsbehörden verfügbar sind und keine Papierdokumente mehr verteilt werden, ist ein solches Verfahren völlig überflüssig. 
 
Dies sind nur Beispiele, und die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Sie soll aber verdeutlichen, dass die Papierverwaltung ihre spezifischen Belastungen mit sich bringt, die letztlich höchst unnötig sind und jeden Versuch, Prozesse zu automatisieren, stark blockieren. Die digitale Transformation zu E-Government-Prozessen verspricht eine viel hellere Zukunft.

Eine strahlende Zukunft für alle

All dies zeigt, dass der Papierstaat wirklich nur noch ein Relikt der Vergangenheit ist, das zwar noch am Leben erhalten wird, aber keine lange Geschichte mehr vor sich hat. Und das ist gut so. Die digitale Zukunft verspricht wirklich für alle Beteiligten spür- und messbare Verbesserung.

Am Ende läuft alles auf eine einzige offene Frage hinaus: Wie können wir sicherstellen, dass auf dem Weg dorthin kein Hersteller verloren geht? Wie bereits erwähnt, bergen die Anforderungen der digitalen Transformation das Risiko, dass hohe Investitionen in die IT anstehen, und nicht jedes Unternehmen wird die Ressourcen haben, diese Investitionen allein zu stemmen.

Aus unserer Sicht gibt es nur eine Lösung: Standard-IT-Lösungen, die jeder Hersteller nutzen kann, zu seinen Konditionen. Aus diesem Grund haben wir VCX entwickelt. Durch die Bereitstellung einer Standard-Cloud-Lösung für Typgenehmigungen und Fahrzeugzulassungen werden die IT-Investitionen gleichmäßig auf viele Hersteller verteilt, was die Umstellung mühelos und kostengünstig macht. So kann jeder Hersteller, egal wie groß oder klein, gleichermaßen an den Vorteilen der neuen Ära der E-Government-Prozesse teilhaben. 

Die digitale Transformation ist gut. Lassen Sie uns sicherstellen, dass sie für alle gut ist.

1) Für einen Überblick über den Stand der Umsetzung in Europa, siehe Referenzlink der Themengruppe, und insbesondere Referenzlink für die Umsetzung. 
2) "Vierte Verordnung zur Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften", §45a: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl119s0382.pdf%27%5D__1635429777276 
3) Verordnung (EU) 2018/858, Artikel 37: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A02018R0858-20210926&qid=1635430086484

Ihr VCX-Experte.

Jens Cram leitet seit 2017 als Product Owner die Entwicklung der Homologationssoftware VCX ("Vehicle Compliance Expert").

In seiner Rolle hat Jens Cram alle Vorteile und Fallstricke dieses Transformationsprozesses kennengelernt und setzt seine Erkenntnisse gekonnt ein, um Hersteller auf die kommenden Herausforderungen in der Welt der Fahrzeugzulassung vorzubereiten und zu unterstützen.

Jens Cram

Product Manager VCX

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